Teil V – Als Einheit in die I. Liga

Teil IV – Der NeuanfangGeschichteTeil VI – Spielende Kernkraftwerker

Was waren das für Spiele! Tausende Zuschauer im Volksstadion sangen in den 50er und 60er Jahren ihre Mannschaft nach vorn, jubelten ihnen zu. Die Stadt war fußballverrückt“, erinnert sich der damalige Mannschafts-Betreuer und Fußball-Sektionsleiter Walter Hofmann noch heute gerne an jene Blütezeit des Greifswalder Fußballs. In der ein ungeheurer Aufschwung stattfand. Und in der die Boddenkicker hinter Rostock zur zweiten Kraft im Norden der DDR wurden. Begonnen hatte alles mit dem Aufstieg der BSG Einheit Greifswald in die 2. DDR-Liga im Jahre 1952. Dort wurde das Team als krasser Außenseiter gehandelt. Und tatsächlich. Unter Spielertrainer Kieler“ Holze stand das Team im November 1952 mit 2:16 Punkten da. Dann allerdings übernahm der Mittweidaer Franz Schopp auf Veranlassung der BSG Einheit die Mannschaft. Und dieser Teufelskerl schaffte es durch verbessertes Training noch, das Team auf einen nie erwarteten 6. Platz zu führen. Aber nicht nur als Trainer der ersten Mannschaft tat sich Franz Schopp jedoch hervor. Der Fußballfachmann betreute auch den Nachwuchs. Und durch seine unermüdliche Arbeit gelang es ihm, die Grundlage für die guten nationalen und internationalen Erfolge der Folgezeit zu schaffen. So kamen die Spieler der Liga-Mannschaft – wie heute noch zum größten Teil von den eigenen Junioren.

Einige Fußballer, wie Rudi Tews, Achim Steinfurth oder Kurt Habermann (alle Demmin) stammten auch aus der näheren Umgebung. Andere, wie Rolf Hopp und Günter Lang, folgten Trainer Schopp aus Mittweida oder wie Theo Hofmann aus Leipzig an den Ryck. Fast immer gehörten auch drei, vier Sportstudenten zum Aufgebot, da die Direktoren des heutigen Instituts für Sportwissenschaft die Ligamannschaft damals nach besten Kräften zu unterstützen versuchten. Die Früchte seiner Arbeit konnte Franz Schopp allerdings nicht ernten, weil er Ende 1957 auf Geheiß der SED-Kreisleitung als Trainer entlassen wurde. Er und seine Lebensgefährtin Ruth Wittig hatten die Traditionsgaststätte Zur Falle“ in der Fischstraße erworben und waren nach Meinung der Parteifunktionäre als „Kapitalisten“ nicht mehr tragbar. Wer sich freute, war der Liga-Konkurrent Motor Stralsund. Zu dem nämlich wechselte Franz Schopp nach seinem Rausschmiss in Greifswald.

Neuer Trainer bei der BSG Einheit wurde Lothar Wießner: ein guter und konsequenter Mann, der das Team in den Jahren 1958 in die 1. DDR-Liga führte. In den Aufstiegsspielen der fünf Staffelsieger der 2. Liga setzte sich Einheit am Ende mit 5:3 Punkten durch. Denkwürdigstes Spiel: der 3:0-Heimsieg gegen Motor Süd Brandenburg. Die 11.800 Zuschauer von jenem 7. Dezember 1958 sind noch heute Zuschauerrekord in Greifswald. Das Jahr 1958 gilt noch heute als Meilenstein des Greifswalder Fußballs. Nicht nur die erste Mannschaft der BSG Einheit schrieb in diesem Jahr unter ihrem Trainer Lothar Wießner mit dem Aufstieg in die 1. DDR-Liga Geschichte, sondern auch der Nachwuchs. Ostern 1958 wurde Einheits erste Jugend unter Mannschaftskapitän Helmut Hergesell (ehemaliger Vorstandsvize des FC Hansa Rostock) beim Vierer- Endturnier in Güstrow durch drei klare Siege FDGB-Pokalsieger der DDR. Zuvor hatte das junge Team aus dem Bezirk Rostock die Favoriten Dynamo und Vorwärts Berlin ausgeschaltet. Betreuer der Jungs war damals Herbert Lange, genannt „Mäusi“. Und Jugendleiter war Horst Busse. Die erste Männermannschaft der BSG Einheit unterstrich im Folgejahr (1959) ihre Klasse mit dem 6. Platz in der 1. DDR-Liga. Und auch in den Freundschaftsspielen gegen hochkarätige nationale und internationale Gegner bewiesen die Boddenstädter ihr Können. So spielten die Einheit-Kicker zwischen 1955 und 1961 u.a. gegen Arminia Bielefeld, den SV Bremen, gegen Starograd, Stettin oder Myslibors (alle Polen), gegen die tschechische Mannschaft Banik Most, zu der noch heute gute Kontakte bestehen, oder auch gegen die schwedischen Mannschaften von JFK Trelleborg und FK Degerfors.

Von 1953 bis 1960 gab es jeweils in der Sommerpause zu- dem Freundschaftsspiele gegen die meisten DDR-Oberliga-Clubs. Zu diesen Partien kamen jeweils etwa 3.000 Zuschauer. In den Sommern 1959 und 1961 reiste die Einheit-Mannschaft jeweils für zehn Tage nach Norwegen. Zudem wurden in dieser Zeit im Volksstadion zwei Juniorenländerspiele ausgetragen. 1958 kickten die 16- bis 18-jährigen Nationalspieler der DDR vor 7.000 Zuschauern gegen die Volksrepublik Polen. 1960 spielten die DDR-Talente vor 6.000 Zuschauern gegen die der VR Rumänien. Bei den klaren Siegen dabei waren mit Wolfgang Schmidt und Helmut Hergesell auch zwei Greifswalder. Warum nach diesen Erfolgen und Errungenschaften 1961 die Ablösung von Trainer Lothar Wießner durch den Spielerrat erwirkt wurde, bleibt ein Rätsel. Der neue Trainer Günter Horst war ein intelligenter Fußball- Theoretiker, aber kein Praktiker. Und mit ihm sowie mit der von der SED-Kreisleitung veranlassten Delegierung guter Spieler zum FC Hansa Rostock begann der allmähliche Niedergang. Dem Abstieg der zweiten Mannschaft aus der Bezirksliga folgte 1964 der Abstieg der ersten Mannschaft.

Walter Hofmann / Thomas Pult, Ostsee-Zeitung